GRAND CENTRAL - Von Liebe und Atomenergie

Movie-Kritik: Grand Central

 

 

Wie viel ist dir dein Körper wert? Wofür gibst du ihn her? – für Geld, für Liebe, für die Gemeinschaft? Gary (TAHAR RAHIM) hat nicht viel mehr als seinen Körper, er hat keine Ausbildung, seine Familie hält ihn für einen Versager und für seine Freundinnen empfindet er nichts.

An seinem ersten Arbeitstag im Kraftwerk erhält Gary ein Strahlungsmessgerät. Solange die Dosis, der er sich von nun an täglich aussetzt, unter der kritischen Grenze bleibt, darf auch Gary bleiben. Rund um das Kernkraftwerk herum leben die Arbeiter in Wohnwagen. Abends  trinken sie zusammen, tanzen und singen, um nicht daran denken zu müssen, wer der nächste sein wird, der einen Unfall baut – weil seine Schutzkleidung bei einem Sturz reisst oder er versehentlich mit dem radioaktiven Abfall in Berührung kommt. Zur Dekontamination werden die Arbeiter dann lange abgeduscht, abgeschrubbt und die Haare werden ihnen abgeschoren.

Gary wird in die Gemeinschaft aufgenommen und findet hier endlich ein Zuhause. Doch er verliebt sich, in die sinnliche Karole (LÉA SEYDOUX), die Freundin von seinem Kumpel Toni (DENIS MENOCHET). Mit jedem Tag der vergeht, wird sein Körper ein bisschen mehr verstrahlt, mit jedem Mal, dass er Karole trifft, verfällt er ihr ein bisschen mehr. Gary setzt alles aufs Spiel, seine Gesundheit und seine neugewonnene Familie, für eine Frau, die ihren Körper hergibt, um Sicherheit zu erhalten, um geliebt zu werden.

 

Regisseurin REBECCA ZLOTOWSKY sagt in einem Gespräch: „Wie bei der Liebe ist ein Atomkraftwerk ein gefährlicher Ort, der eine langsame, aber bestimmte Kontamination ausstrahlt, die farb- und geruchlos ist und sich rund um ein Herz organisiert, das schwer zu kontrollieren ist, wenn es einmal in Gang gesetzt ist.“ Die Arbeit am Film hatte schon seit mehren Monaten begonnen, als die Katastrophe in Fukushima geschah.

 

Ein wichtiger Pfeiler im Gerüst des Filmes war Schauspieler Tahar Rahim, geboren in Belfort. Die Regisseurin machte sich seine früheren Rollen (z.B: in Un prophète 2009) zu nutze und baute drauf die Figur des Garys auf. Auch die anderen Figuren setzte sie in den Kontext der Filmographie der Schauspieler. Doch wer bei diesem Film besonders hervorsticht, ist die wunderschöne Léa Seydoux. Die Enkelin des Präsidenten der Filmproduktionsgesellschaft Pathé spielte bereits für Tarantino und Woody Allen. Ebenfalls zu sehen in den Kinos momentan, ist sie in The Grand Budapest Hotel von Wes Anderson.  

 

Grand Central ist ein sehr schöner Film mit berührender Musik und starken Bildern. Der Kontrast zwischen dem grellen Inneren des Kernkraftwerkes und der idyllischen Natur rundherum bleibt einem noch lange nach dem Kinobesuch in Erinnerung. Die Handlungsstränge sind einfach gesponnen, doch die Figuren vermögen es zu berühren. Man fühlt mit dem sympathischen Gary mit und wird sofort in den Bann gezogen der verführerischen Karole. Ein wichtiger, aktueller Film, der zum Denken anregt und ein Genuss ist anzuschauen.  

 

Grand Central (2013)

Regie: Rebecca ZLOTOWSKI

Drehbuch: Gaëlle MACE u. Rebecca ZLOTOWSKI

Besetzung: Tahar RAHIM, Léa SEYDOUX, Olivier GOURMET, Denis MENOCHET u.A.

Dauer: 95min.

Kinostart: 8.Mai 2014

Charlotte Foxall / Sa, 10. Mai 2014